„Alle Jahre wieder“ – Drei Literaturklassiker zur Weihnachtszeit

Das Weihnachtsfest mit seinen Ritualen wie wir es heute kennen, ist noch gar nicht so alt. Erst seit dem 18. Jahrhundert begannen die Menschen damit, Bäume mit Esswerk zu schmücken, zu beleuchten und einen Gabentisch aufzustellen. Weitere 100 Jahre später ist dieser Brauch auch in der breiten Bevölkerung angekommen und die Erzählung vom „Nussknacker und Mausekönig“ von Ernst Theodor Amadeus Hoffmann aus dem Jahr 1816 zeugt als erstes davon. Dass die Weihnachtszeit auch eine besondere Zeit der Kinder und der eigenen Kindheit ist, zeigen die folgenden drei  Klassiker, die seit  2 Jahrhunderten die Menschen weltweit erfreuen und den Zauber der Weihnacht transportieren.

„Nussknacker und Mausekönig“ von E.T.A. Hoffmann (1816)

Lesealter: ab 8 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2016, Knesebeck Verlag, ISBN978-3868739213

www.knesebeck-verlag.de

Die Kinder des Medizinalrats Stahlbaum Luise, Fritz und Marie warten am Heiligen Abend aufgeregt auf die Ankunft ihres Paten Droßelmeier. Dieser bereitet zu Weihnachten immer ein mechanisches Spielwerk für die Kinder vor. Dieses Jahr ist es „ein sehr herrliches Schloß mit vielen Spiegelfenstern und goldenen Türmen. Ein Glockenspiel lies sich hören, Fenster und Türen gingen auf, und man sah, wie sehr kleine, aber zierliche Herrn und Damen mit Federhüten und langen Schleppkleidern in den Sälen herumspazierten.“ (aus: E.T.A. Hoffmann: Nussknacker und Mausekönig, Dressler Verlag, Hamburg, 1993, S.14)

Besonders entzückt ist die siebenjährige Marie aber von einem Nussknacker, der etwas versteckt auf dem Gabentisch steht.  Sie nimmt ihn unter ihren Schutz als ihr Bruder Fritz dem Holzmann nur die größten und härtesten Nüsse zu knacken gibt. Am Ende des Abends darf Marie in der Wohnstube beim Spielzeugschrank der Familie noch etwas spielen. Sie möchte sich gerade auf den Weg ins Schlafzimmer machen, da schnurrt die Wanduhr sonderbar und überall in der Stube beginnt ein Rascheln, Pfeifen und Trippeln tausender kleiner Füßchen. Immer mehr Mäuse stellen sich vor Marie in Reih und Glied auf und zu ihrem Entsetzen entsteigt dem Boden der Mäusekönig mit seinen sieben gekrönten Köpfen. Die Mäusearmee setzt sich in Gang – auf Marie zu. Da rufen die Spielzeuge aus dem Schrank zur Schlacht und der Nussknacker führt diese in den Kampf bis Marie ihren Schuh ins Kriegsgetümmel wirft. Marie fällt in den Schlaf und wird am nächsten Morgen in ihrem Bett wach. Sie hat sich an Scherben des Schrankes verletzt und muss nun an Wundfieber erkrankt das Bett hüten. Auch der Pate Drosselmeier erscheint an Mariechens Krankenbett und erzählt das Märchen von der harten Nuss, das den Ursprung der Fehde des Nussknackers mit dem Mausekönig erklärt. In den folgenden Raunächten steht Marie wieder ihrem Nussknacker bei und als dieser von Fritz Husaren einen Säbel erhält, kann er es mit dem Mäusekönig aufnehmen. Zum Schluss wird Marie an der Seite des Nussknackers Königin der funkelnden Weihnachtswälder und eines Marzipanschlosses und besucht das Puppenreich bis sie wieder genesen in ihrem Bett aufwacht.

Der Dichter Ernst Theodor Amadeus Hoffmann hat mit der romantischen Erzählung über den Nussknacker und Mausekönig 1816 einen Klassiker geschaffen, der heute noch in Literatur, Musik und Theater präsent ist. Bereits zu Lebzeiten wurde Hoffmann gefragt, „ob seine Erzählweise nicht ein wenig zu kompliziert sei für jüngere Leser“. E.T.A. Hoffmann bezeichnete entgegnend die „lebhaften phantasiereichen Kinder“ als seine „kompetentesten Kunstrichter“ (Klaus Doderer: Nachwort, in: E.T.A. Hoffmann: Nussknacker und Mausekönig, Dressler Verlag, Hamburg, 1993, S.128). Selbstverständlich ist der Originaltext für moderne Augen und Ohren herausfordernd, aber der Wortschatz ein Lesegenuß.

„Der Nussknacker“ von E.T.A. Hoffmann/ Lisbeth Zwerger (1816)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©1979, Edition Neugebauer, ISBN978-3507951037

Folgende Bilderbuchausgabe gestaltete die österreichische Illustratorin Lisbeth Zwerger zu Beginn ihrer Kooperation mit dem Neugebauer Verlag im Jahr 1979. 1976 entdeckte der Buchgestalter Friedrich Neugebauer, die ambitionierte junge Frau im Alter von 22 Jahren. Es folgten viele Bilderbuchillustrationen Zwergers zu Märchen oder anderen Literaturklassikern. Die Illustrationen der Nussknacker-Ausgabe aus dem Jahr 1979 sind sehr dunkel und teilweise auch grotesk verzerrt. Zwergers Bilder geben gelungen die diffusen Gefühle und verschrobenen Bilder wieder, die Hoffmanns Nussknacker beim erstmaligen Lesen im Leser aufsteigen lässt.

„Der Nussknacker“ von E.T.A. Hoffmann/ Lisbeth Zwerger (1816)

Lesealter: 4-6 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2016, Nord-Süd Verlag, ISBN978-3314103544

www.nord-sued.com

Im Jahr 2003 erstellte Lisbeth Zwerger neueIllustrationen für eine neue Veröffentlichung des Nussknackermärchens. Mittlerweile hat sie zu ihrer typisch leichten Wasserfarbentechnik und der traumgleichen Grazilität der Zeichnungen  gefunden und lässt die Erzählung im Milieu der Aufklärung neu erstehen.

 

„Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens/Werner Blaebst (1843)

Lesealter: 10-12 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2002, Dressler Verlag, ISBN978-3791535968

www.dressler-verlag.de

Für mich muss bereits der Beginn eines Buches fesselnd sein und der Anfang dieser Weihachtsgeschichte zieht einen gleich in die Erzählung und macht deutlich, dass man nicht ein typisch idyllisches Weihnachtsbuch vor sich hat:

„Um es gleich zu sagen: Marley war wirklich tot. Darüber konnte überhaupt kein Zweifel herrschen.“ (Charles Dickens: Eine Weihnachtsgeschichte, Cecilie Dressler Verlag, Hamburg, 2002, S.7)

Und der Geist des Geschäftsmanns Marley sucht am Heiligen Abend im Totenhemd und mit rasselnden, schweren Ketten seinen noch lebenden Geschäftspartner Ebenezer Scrooge auf und kündigt ihm den Besuch von drei weiteren Geistern der Weihnacht an. Diese nehmen den geizigen und menschenverachtenden Scrooge mit und zeigen ihm Ausschnitte aus seinem Leben, die sich an vergangenen Weihnachten abgespielt haben, in der Gegenwart zutragen oder als Zukunft ereignen werden. Die Besuche der Geister beängstigen, reuen Scrooge. Sie bewegen auch etwas in seinem Herzen, so dass er am Ende des Buches als Mann verlassen wird, von dem man ab diesem Zeitpunkt an sagte, „dass er Weihnachten richtig zu feiern verstünde, wenn überhaupt ein Lebender dies könnte.“ (Charles Dickens: Eine Weihnachtsgeschichte, Cecilie Dressler Verlag, Hamburg, 2002, S.138)

Das Lesealter wird vom Verlag mit 10 bis 12 Jahren angegeben. Ich finde die Beschreibungen der Geister in Kombination mit den textnahen Zeichnungen von Werner Blaebst in der obrigen Ausgabe aus dem Jahr 2002 recht beängstigend. Diese bringen einem aber die Erzählabsicht und die Vorstellungen Charles Dickens wirklich nahe.

Auch heute ist die Botschaft des Buches immer noch aktuell und die Erzählung hält dem Leser ebenso wie Ebenezer Scrooge einen Spiegel vor Augen.

Eine Ausgabe mit weihnachtlich-opulenten Illustrationen von Roberto Innocenti bietet der Gerstenberg Verlag an:

„Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens/Roberto Innocenti (1843)

Lesealter: 10 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2015, Gerstenberg Verlag, ISBN978-3836958592

www.gerstenberg-verlag.de

 

Der kleine Lord“ von Frances H. Burnett (1886)

Lesealter:10-12 Jahre

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

©2012, Köln, Anaconda Verlag, ISBN978-3866477612

www.anacondaverlag.de

„Der kleine Lord“ war wie „Eine Weihnachtsgeschichte“ von Charles Dickens und der „Nussknacker und Mausekönig“ von E.T.A. Hoffmann bereits ein Erfolg zu Lebzeiten seiner Autorin Frances H. Burnett. Vor allen Dingen Mütter waren von der Geschichte vom kleinen Lord Fauntleroy, seiner Mutter und dem mürrischen Großvater, dem Grafen Dorincourt, sehr angetan.

Der 7jährige Cedric wird nach dem Tod seines Vaters von seiner Mutter alleine aufgezogen. Eines Tages trifft ein Mann aus England ein und berichtet, dass Cedric als einziger Nachkomme des Grafen Fauntleroy auf den Landsitz seines Großvaters ziehen soll und bei diesem gebildet und erzogen werden soll. Der alte Graf Dorincourt hatte Cedrics Vater nach der Heirat einer Amerikanerin, Cedrics Mutter verstoßen und möchte auch mit seiner Schwiegertochter nichts zu tun haben. Zudem hat er die größten Bedenken gegenüber seinem Enkel und den Vorsatz diesen mit Spielzeug zu überhäufen und so der Mutter zu entfremden. Dieser Plan geht allerdings nicht auf, Cedric stellt sich nach seiner Ankunft als liebenswertes, empathisches Kind heraus, das sich auf seinen Verstand und vor allen sein Herz verlässt. So kommt es, dass der Großvater in Liebe zu seinem Enkel auftaut und sich seinem Umfeld und seiner Schwiegertochter annähert. Wie erschüttert ist er, als ein fremder Junge als rechtmäßiger Erbe der Grafschaft auftritt. Zum Glück hat Cedric noch gute Freunde in Amerika, die den Komplott entlarven.  So steht einem friedlichen und versöhnlichen Weihnachtsfest mit Cedric, seiner Mutter und seinem Großvater und allen Menschen der Ortschaft nichts im Weg.

Da Cedric 7 Jahre alt ist, wundert mich die Altersangabe des Verlags. Diese kann nur mit der Komplexität der Sprache begründet sein und einzelne Passagen über Politik bedürfen einiger Vorkenntnisse. Dennoch bin ich der Meinung, dass die Geschichte vom kleinen Cedric, der ein feines Gespür für Gerechtigkeit und Menschlichkeit hat, bereits für Grundschulkinder von Interesse sein kann. Es gibt auch zahlreiche Vorlese- und Erstleseausgaben des Romans.

 

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