„Lettie Peppercorn und der Schneehändler“ von Sam Gayton
„Lettie Peppercorn und der Schneehändler“ ist das Erstwerk des englischen Schriftstellers Sam Gayton und im Jahr 2012 im Boje-Verlag erschienen. Das Buch ist für Kinder ab 10 Jahren empfohlen.
Bei meiner Betrachtung möchte ich mit der Rückseite des Bucheinbandes beginnen. Denn mit diesem Bild nimmt die Geschichte von Lettie Peppercorn ihren Anfang. Es ist die Illustration eines abenteuerlichen Stelzenhauses zu sehen, die vom bekannten Buchillustrator Chris Riddell angefertigt wurde:
©2012, Köln, Bastei-Lübbe GmbH & Co. KG, ISBN 978-3-414-82337-3
www.luebbe.de
Dieses wackelige Holzgebilde ragt windschief über die Dächer des Küstenstädtchens Tauschdorf im Land Albion und beherbergt das Gasthaus „Zum Schimmel“. Bewohnt wird das turmhohe, verwinkelte Pfahlhaus von der 12jährigen Lettie Peppercorn und ihrem Vater. Letties Mutter ist vor langer Zeit verschwunden und hat eine mysteriöse Notiz für ihre Tochter hinterlassen, auf der unter anderem auch dieser Satz steht : „Setz nie einen Fuß auf den Boden Albions, es könnte dich das Leben kosten.“ (Sam Gayton: Lettie Peppercorn und der Schneehändler, Boje Verlag, Köln, 2012, S.30)
Da Letties Vater seinen Kummer über das Verschwinden seiner Frau in der örtlichen Kneipe im Alkohol ertränkt, übernimmt Lettie die Aufgaben einer Gastwirtin. Sie führt, abgeschieden in der kalten Höhe, ein einsames Leben und nimmt nur mittels ihrer Taube Periwinkle als Boten und einem Fernrohr Anteil am Leben in Küstenörtchen Tauschdorf.
An einem eiskalten Winterabend erspäht Lettie mit ihrem Fernrohr einen Fremden, der einen mysteriösen Koffer aus Mahagoniholz bei sich trägt. Dieser ist auf dem Weg in ihr Gasthaus „Zum Schimmel“. Auf dem Bucheinband ist der merkwürdige Mann, der sich Schneehändler nennt, zusammen mit der resoluten Lettie abgebildet:
©2012, Köln, Bastei-Lübbe GmbH & Co. KG, ISBN 978-3-414-82337-3
Kurz nach seiner Ankunft beginnt der kauzige Alchmist unverzüglich merkwürdige Vorbereitungen zu treffen, um einen Stoff zu erschaffen, der sich „Schnee“ nennt. Diesen möchte er Lettie zeigen und schenken. In seiner Begleitung ist der etwa 10jährige Noah, der den Schneehändler mit seinem Boot nach Tauschdorf gebracht hat. Er stammt vom 5.Kontinent und hat eine Besonderheit: aus seiner Schulter wächst ein zartes Pflänzchen, das je nach Stimmung mit einer Blüte oder anderen Auswüchsen reagiert.
Gemeinsam mit zwei weiblichen Übernachtungsgästen, die Lettie aufgrund ihres eigenartigen Aussehens für sich nur „die Glotzerin“ und „das Walross“ nennt, beobachten sie die alchemische Herstellung vom Schnee und sind von den diamantenen Schneekristallen überrascht und begeistert. Der Schneehändler schenkt Lettie den Schnee, der von den beiden anderen Frauen mit gierigen Augen beäugt wird. Leider taut der Schnee nach kurzer Zeit und Lettie, die sich bereits reich wähnte, ist enttäuscht.
Die habgierigen Übernachtungsgäste bedrohen den Schneehändler, Lettie und Noah und wollen den geheimnisvollen Koffer mit den Schneezutaten an sich nehmen. Der Schneehändler verschwindet in die Nacht. Lettie, die das Gefühl hat, dass den Mann ein größeres Geheimnis als nur der Schnee umgibt, nimmt gemeinsam mit Noah die Verfolgung auf und wagt sich auf den Boden Albions. Auch die „Glotzerin“ und „das Walross“ nehmen Fährte auf. Bei ihrer gefährlichen Verfolgungsjagd auf den Okzident-Ozean hinaus, lösen sich nach und nach alle Geheimnisse um Letties Mutter, deren Warnung und den mysteriösen Schneehändler.
Im Mittelpunkt der Erzählung steht die taffe Lettie, die in Noah einen wahren Freund und mit dessen Hilfe schließlich auch ihre Familie und Herkunft findet. Eine fantastische Geschichte in einer Welt der Alchemie mit vielen ausschmückenden Details. Die Erzählung ist spannend, weil man im ersten Teil des Buches nur mutmaßen kann, welche der Figuren Freund und Feind sind. Außerdem überraschen Noah und Lettie später mit pfiffigen Einfällen, die nicht vorhersehbar sind.
Die Illustrationen Chris Riddell’s sind eine perfekte Ergänzung und unterstützen die spannende Geschichte durch ihre Realitätsnähe. Durch die detailreiche Bebilderung bekommt die Erzählung mehr Tiefe. Dabei brillieren Landschaften und Personen im typischen Chris Riddell-Stil: facettenreiche Fantasy im Kleid des viktorianischen Zeitalters.
Zu diesem Lokalkolorit passt auch der Name Lettie. Es ist ein alter britischer Name, der seit 1850 etwas aus der Mode geraten ist. In Kombination mit dem pragmatischen „Peppercorn“ wirkt er aber höchst sympathisch. Ich hätte es allerdings noch besser gefunden, wenn die Hauptfigur in der deutschen Übersetzung auch als „Lettie Pfefferkorn“ benannt worden wäre. Gerade ein Pfefferkorn, das Lettie in ihren Rocktaschen findet, ist eine große Hilfe bei einer ihrer Ideen.
Das Lesen der Geschichte hat Spaß gemacht und ging flüssig vonstatten. Ich würde das Buch aufgrund seines szenischen Aufbaus und der anfänglichen Verstrickung der Figuren wirklich frühestens ab 10 Jahren empfehlen.