Blogparade „Harry Potter und die Magie des Lesens – Wie Harry Potter (meine) Kinder zu Lesern macht“

Wenn man Kinder beobachtet, die ein Harry Potter-Buch lesen, so ist eines ganz auffällig: sie ziehen sich still und leise zurück und tauchen unbeobachtet in die magische Zauberwelt Englands ein. So geht es mir auch heute als Erwachsene noch. Man fühlt sich beim Lesen wirklich so, als würde man in einem Schrank unter der Treppe liegen, abgeschieden von der Welt draußen. Man verliert das Gefühl für Zeit und möchte einfach immer weiterlesen.

©2015, Carlsen Verlag

Diese Zeit des Eintauchens in die fantastische Parallelwelt der Zauberer, ist für mich zu einem Stück innerer Heimat geworden. Ich beschäftige mich gerne mit der Wizarding World, die J.K. Rowling konstruiert hat und in Spin Offs immer weiter ausbaut.

Dies ist auch einer der Gründe, weswegen ich mich entschlossen habe an der Blogparade des Carlsen Verlags teilzunehmen. Im Fokus meines Beitrags sollen die drei Fragen stehen, die der Carlsen Verlag als Impulse vorgibt:

  1. Könnte es tatsächlich sein, dass Harry Potter mehr für die Leseförderung tut als Goethe und Schiller zusammen?

Johann Wolfgang von Goethe‘ s Zauberlehrling aus dem Jahr 1797 ist bis heute populär. Ähnlich wie bei Harry Potter ist es hier ein kleines Zauberabenteuer des Schulalltags, das den Leser in das Zauberlabor des Hexenmeisters mitnimmt. Wie Joanne K. Rowling greift Goethe in seinen beiden bedeutendsten Balladen „Der Erlkönig“ und „Der Zauberlehrling“  Themen auf, die als Urbilder im Menschen verwurzelt sind. Dass J.K. Rowling mit diesem Stilmittel auch gearbeitet hat, macht die Ausstellung „Harry Potter- Eine Geschichte voller Magie“ eindrucksvoll deutlich. Mit kluger Recherche und beeindruckender Detailgenauigkeit bildet  J.K. Rowling in ihren Romanen sieben komplette (Schul)-Jahre im Leben Harry Potters ab.  Im Gegensatz dazu stellt Goethe nur eine minimale Episode der Zaubererausbildung dar, die er in Motiven aus einem Script übernommen hat.

©2006, Kindermann Verlag

Johann Wolfgang von Goethe’s „Der Zauberlehrling“ illustriert von der deutschen Künstlerin Sabine Wilharm, die auch die sieben Bucheinbände der bisherigen Harry Potter-Ausgaben gestaltete.

Die Hardcover-Ausgaben der sieben deutschen Harry Potter-Bucheinbände des Carlsen Verlags auf einen Blick.

Literarisch fällt ein Vergleich Joanne K. Rowlings mit Johann Wolfgang von Goethe schwer. Was man jedoch feststellen kann, ist dass beide Autoren bereits zu Lebzeiten außerordentlich erfolgreich waren und mit ihren Werken den Nerv der Zeit getroffen haben. Goethe unterhält den Leser in wunderbarer, ästhetischer Sprache, allerdings gehören zu seiner Zielgruppe vorwiegend Erwachsene.

Eine blumige, Szenenräume schaffende Sprache ist es auch, die mich an J.K. Rowling begeistert. Sie schafft den Spagat Kinder wie Erwachsene anzusprechen.  Wer nach der Rezeptur für den Erfolg der Romanserie fragt, der wird sicherlich nicht nur eine Antwort erhalten. Neben J.K. Rowlings Sprachästhetik ist es sicherlich auch das Thema „Zauberei“, das die Menschheit seit jeher fesselt und auch Goethe’s Zauberlehrling zu einem Klassiker machte. Auch die fantastischen Wesen und fantasievollen Schauplätze des Romans zeichnen „Harry Potter“ als Fantasy-Meisterwerk aus. Gleichzeitig spielt  bei Harry Potter die Lebens- und Gefühlswelt eines heranwachsenden Jungen eine Rolle und so dient seine Figur vortrefflich zur Identifikation für Kinder und Jugendliche.

Wenn die Kenntnis einzelner Werke Goethe‘s vor allen Dingen zur Allgemeinbildung gehört, so hat eine Studie der amerikanischen Zeitschrift „Journal of Applied Social Psychology“ aus dem Jahr 2014 ergeben, dass Kinder und Jugendliche, die die Harry Potter Bücher gelesen haben, besonders tolerant sind. Harry Potter-Leser werden im Sinne einer humanistischen Bildung empathisch und kritisch gegenüber Ausgrenzung und Vorurteilen.

© 2018, Carlsen Verlag

Die sieben Harry Potter-Bände als Jubiläumsausgaben anlässlich der Veröffentlichung vor 20 Jahren.

Wer sich in der sechsten Klasse alle Strophen des Zauberlehrlings einverleibt und auswendig gelernt hat, ist von einem gewissen Stolz ergriffen. Für die Lesebiografie eines Kindes ist es allerdings ein Meilenstein, wenn es einen der Harry Potter-Romane freiwillig und mit Freude durchgelesen hat.

Wer sich einmal durch die 4346 Seiten der sieben Bände geschmökert hat, den kann in der örtlichen Kreisbücherei nichts mehr schrecken! Meine Kinder werden sicherlich auch irgendwann vor dem Bücherregal stehen und sich den ersten Band von Harry Potter greifen. Ich beobachte, dass Harry Potter bereits Leseanfänger in seinen Bann zieht und diese gar nicht erwarten können mit der Lektüre zu starten. Für meine Töchter würde ich mir wünschen, dass sie mit der Romanreihe erst als geübte Leser beginnen, denn es braucht schon eine gewisse Reife und Leseerfahrung, um sich dem umfangreichen Werk zu widmen und die feinen Zwischentöne Rowlings vollends zu begreifen.

Noch eine Bemerkung zum Schluss: Wäre Johann von Goethe’s Zauberlehrling nicht privat, sondern in Hogwarts unterrichtet worden, hätte er auch gewusst, dass er mit „Aguamenti“ das Badebecken problemlos hätte auffüllen können 😉

  1. Wie wichtig war J.K. Rowlings magische Welt in Deiner persönlichen Lesesituation bzw. in der Deiner Kinder?

Den ersten Band „Harry Potter und der Stein der Weisen“ habe ich 2004 während meines Studiums gelesen und war sofort Feuer und Flamme. Zunächst hatte ich noch mit Kopfschütteln den Hype meiner Mitstudenten betrachtet und konnte mir nicht vorstellen, dass ein Kinderbuch Erwachsene unterhalten kann. Doch dann hatte der Harry Potter- Virus auch mich infiziert… Noch lebhaft erinnere ich mich an die Jahre, als ich voller Vorfreude und Spannung auf das Erscheinen des nächsten Harry Potter-Romans gewartet habe. Innerlich habe ich immer gebetet „Lieber Gott, lass mich das Ende der Reihe noch erleben!“.  Als ich dann tatsächlich den siebten und letzten Band in den Händen hielt, war das ein aufregendes Gefühl.

© Carlsen Verlag

Die drei Schmuckausgaben der ersten drei Bände aus dem Carlsen Verlag, illustriert von Jim Kay. Der vierte Band wird voraussichtlich 2019 erwartet.

Mit dem neuen Band in der Hand folgte immer das gleiche Ritual: ich habe mich andächtig und gespannt in mein Bett zurück gezogen und bin nach Hogwarts abgetaucht.

Bis heute lese ich mindestens einmal im Jahr die Harry Potter-Reihe in einem Rutsch durch. Meist beginne ich damit im Juli – parallel zu Harry Potters Geburtstag oder im Herbst. Nach meinen Berechnungen habe ich die Serie mindestens 16 Mal gelesen. Das schaffen neben Harry Potter nur die beiden Weihnachtsgeschichten von Cornelia Funke und „Der satanarchäolügenialkohöllische Wunschpunsch“ von Michael Ende, der ja auch mit Zauberern der übelsten Sorte zu tun hat.

Welcher Roman es mir besonders angetan hat, erkennt man am Zustand der Buchrücken. „Der Orden des Phönix“ ist mein Lieblingsband.

 

Mit Harry besuchte ich so jedes Jahr wieder die bedeutendste Lehrstätte für Zauberei in Europa: das Schulinternat Hogwarts.  Neben einzelnen Unterrichtsinhalten, lerne ich auch die magischen Orte Englands kennen: Im ersten Band das Gasthaus „Zum tropfenden Kessel“, die Londoner Winkelgasse mit ihren Geschäften „Ollivander- Gute Zauberstäbe seit 382 v. Chr.“ und „Madam Malkins Anzüge für alle Gelegenheiten“ und der Zaubererbank Gringotts, den magischen Parallelbahnhof King’s Cross mit Gleis 9 ¾, das Schulinternat Hogwarts und den verbotenen Wald. Im Zweiten Band lernt Harry Rons Zuhause, den Fuchsbau, die Nokturngasse mit dem Laden „Borgin und Burkes“, „Flourish & Blotts“ in der Winkelgasse, Aragogs Senke im verbotenen Wald und die Kammer des Schreckens in Hogwarts kennen. Im dritten Band fährt Harry mit „Der fahrende Ritter“, dem Nottransporter für gestrandete Hexen und Zauberer, wohnt im Gasthaus „Zum tropfenden Kessel“, besucht die „Magische Menagerie“ in der Winkelgasse, besucht den Süßwarenladen „Honigtopf“ und die  „Drei Besen“ im Zaubererdorf Hogsmeade und ergründet das Geheimnis der heulenden Hütte. Im Vierten Band erlebt Harry die Quidditchweltmeisterschaft und lernt beim trimagischen Turnier die Unterwasserwelt des Sees bei Hogwarts kennen. Im fünften Band  lernt Harry das Zaubereiministerium, Sirius‘ Londoner Stadthaus am Grimmauldplatz, „Madam Puddifoot“ und das Gasthaus „Der Eberkopf“ in Hogsmeade kennen. Außerdem besucht er das St. – Mungo-Hospital für Magische Krankheiten und Verletzungen mit seinen fünf Stockwerken in London. Im sechsten Band besucht der Leser Professor Snapes Domizil in Spinner’s End, betritt mit Harry das Übergangsdomizil von Professor Slughorn, „Weasleys Zauberhafte Zauberscherze“ in der Winkelgasse, die Wohnung der Hexe Hepzibah Smith, die Hütte der Gaunts , die Höhle am Meer und nimmt an Dumbledore’s Beerdigung in Hogwarts teil. Im siebten Band sucht Harry nochmal alle Orte der Vergangenheit auf und trifft viele alte Bekannte wieder. Er feiert eine Zaubererhochzeit im Garten des Fuchsbaus, besucht das Haus von Ted und Dromeda Tonks, sein zerstörtes Elternhaus in Godric’s Hollow, das „Shell Cottage“ von Fleur und Bill Weasley, besucht Malfoy Manor, das Haus von Xenophilius Lovegood, dem Herausgeber des Klitterers, die Hochsicherheitsverliese in Gringotts und den Eberkopf.

Im Laufe seiner sieben Schuljahre hat Harry in Hogwarts beinahe alle Gemeinschaftsräume, sämtliche Klassenzimmer, Lehrerzimmer, Außengebäude, Geheimgänge, Geheimräume, Wirtschaftsräume und Außenanlagen ergründet und kennengelernt.

Diese Orte sind alle so spannend und für einen Muggel wie mich so imposant, dass ich sie immer wieder aufsuchen kann ohne mich zu langweilen. Denn bei jedem Lesen gibt es für mich noch ein Detail zu entdecken, das mir vorher noch nicht aufgefallen ist. Mal ist es eine Ortsbeschreibung, mal eine Andeutung in einem Dialog oder eine Personenbeschreibung, die auf einen späteren Band verweist.

Was ich aber besonders liebe, sind die unterschiedlichen Anfänge, die jedes Buch der Romanreihe zu etwas Besonderem machen und den Leser unwiderstehlich in die Geschichte ziehen.

 

  1. Könnte nach Harry Potter kein Buch mehr eine solche Faszination auslösen und das Interesse an Büchern wieder verschwinden?

Eine etwas trostlose Frage.. Ein Leben ohne Bücher? Wohl kein Medium hat unsere Gesellschaft und Lebensweise wie wir sie heute haben, so geprägt. Zwar kann sich das E-Book langsam am Markt etablieren- eine Bedrohung für das konventionelle Printmedium Buch sehe ich nicht.

Dass zu meinen Lebzeiten nochmal so ein fesselndes Fantasy-Großwerk erscheint, halte ich allerdings für ziemlich unwahrscheinlich. In den letzten Jahren habe ich eine Vielzahl von Büchern gelesen, die versucht haben, auf der „Welle“ von Harry Potter mit zu schwimmen. Klar, gibt es tolle Fantasy-Bücher, aber das ein Buch verschiedene Generationen so anspricht und begeistert, ist wirklich außergewöhnlich! Es ist tröstend zu wissen, dass ich jederzeit an mein Regal gehen kann, um wieder mit Harry in die magische Welt abzutauchen.

© Carlsen Verlag

Zwei Harry Potter-Spin Off-Geschichten in Form eines Theaterstücks und Drehbuchs, erschienen im Carlsen Verlag. Der zweite Teil der Magische Tierwesen-Reihe mit dem Titel “Grindelwalds Verbrechen“ erscheint als Drehbuch Anfang Dezember 2018.

Mögt Ihr bis zum 30.9.2018 selbst einen Beitrag zur Blogparade beitragen oder weitere Beiträge der Carlsen Blogparade lesen? Dann werdet Ihr hier fündig:

www.carlsen-harrypotter.de/blog/blogparade-harry-potter-und-die-magie-des-lesens

#20yearsofmagicde

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.